Matthäus 11:12 (KJV)
„Und von den Tagen Johannes des Täufers an bis jetzt leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalttätigen reißen es an sich.“
Dies ist einer der rätselhaftesten Verse im Neuen Testament. Hier ist eine strukturierte Erklärung, um ihn vollständig zu entschlüsseln:
1. Historischer und literarischer Kontext
Matthäus 11 folgt auf die Aussendung der Zwölf durch Jesus (Matthäus 10) und bevor er beginnt, Städte offen wegen ihres Unglaubens zu tadeln (Matthäus 11:20–24). In diesem Abschnitt spricht Jesus über Johannes den Täufer, bekräftigt dessen prophetische Rolle und vergleicht ihn mit Elia.
- Vers 12 steht inmitten dieser Reflexion über den Dienst des Johannes und die Aufnahme des Himmelreichs bis zu diesem Zeitpunkt.
2. Bedeutung des Verses (Schlüsselbegriffe)
✦ „Von den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt“
- Bezieht sich auf den Zeitraum seit Beginn des öffentlichen Wirkens Johannes des Täufers, der das Kommen des Messias und die Nähe des Reiches Gottes ankündigte.
✦ „Das Himmelreich leidet Gewalt“
(griechisch: „biazetai“)
- Dieses Verb kann mittelbar („drängt mit Gewalt vorwärts“) oder passiv („wird mit Gewalt angegriffen“) verwendet werden.
- Auslegungsmöglichkeiten:
- Passiv: Das Reich wird angegriffen (von feindlichen Menschen wie Herodes oder religiösen Führern).
- Mittlere: Das Reich bricht gewaltsam hervor – es schreitet mit Macht voran (parallel zu Lukas 16,16: „Alle drängen sich hinein“).
✦ „Die Gewalttätigen reißen es an sich“
(griechisch: „biastai harpazousin autēn“)
- „Die Gewalttätigen“ (biastai): kann Menschen mit großem Eifer, Intensität oder sogar Aggressivität bezeichnen.
- „Mit Gewalt nehmen“ (harpazousin): wird an anderer Stelle im NT für eifrig ergreifen, wegnehmen oder mit Gewalt festhalten verwendet (vgl. Johannes 10,28; Apostelgeschichte 8,39).
3. Interpretative Ansichten
A. Ansicht, dass das Reich angegriffen wird
- Traditionelle Interpretation in einigen Kreisen:
- Das Reich wird von gewalttätigen Menschen (z. B. Herodes, Pharisäer) bekämpft, die versuchen, es zu vereiteln oder an sich zu reißen.
- Johannes der Täufer wird inhaftiert; Jesus wird abgelehnt.
- Die Gewalt spiegelt die Verfolgung der Boten des Reiches wider.
B. Ansicht der eifrigen Verfolgung
- Alternative Lesart, die von vielen Gelehrten und frühen Kirchenvätern (z. B. Chrysostomus) unterstützt wird:
- Das Reich ist so begehrenswert, dass leidenschaftliche Suchende sich darauf stürzen, als würden sie eine Stadt stürmen.
- Es handelt sich um eine positive Form spiritueller Aggression – spiritueller Hunger und Hartnäckigkeit, um das ewige Leben zu erlangen.
- Unterstützt durch parallele Verse:
- Lukas 16,16 – „Das Reich Gottes wird verkündet, und alle drängen sich hinein.“
- Philipper 3,12 – „Ich jage nach dem, wofür Christus Jesus mich ergriffen hat.“
- Matthäus 7,7 – „Bittet … sucht … klopft …“
4. Anwendung für Gläubige
Unabhängig davon, zu welcher Interpretation man neigt, ergeben sich wichtige Erkenntnisse:
Geistlicher Eifer ist notwendig
- Der Eintritt in das Reich Gottes ist nicht passiv – er erfordert Ernsthaftigkeit, Buße und Entschlossenheit.
- Geistliche Trägheit reicht nicht aus. In Lukas 13,24 sagt Jesus: „Bemüht euch, durch die enge Pforte einzutreten.“
Rechnet mit Widerstand
- Diejenigen, die sich dem Reich Gottes anschließen, sollten mit Widerstand, sogar mit gewaltsamen Reaktionenrechnen – sowohl geistlich als auch von weltlichen Systemen.
Seid wie die „Gewalttätigen“ im Geist
- Nicht mit fleischlicher Gewalt, sondern mit geistlicher Leidenschaft und heiliger Entschlossenheit.
- Wie die Frau mit dem Blutfluss oder der blinde Bartimäus – diejenigen, die sich durch Hindernisse drängten, um zu Jesus zu gelangen.
Zusammenfassende Paraphrase
„Seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute bricht das Himmelreich mit Macht herein, und nur diejenigen, die mit geistiger Inbrunst und Entschlossenheit vorwärts drängen, ergreifen es.“
Hier sind drei Zitate von pfingstlichen oder evangelikalen Theologen, die die Auslegung von Matthäus 11,12unterstützen – wobei insbesondere Punkt 3 hervorzuheben ist, die Sichtweise der „eifrigen Verfolgung“, die leidenschaftliches, entschlossenes und vom Glauben getriebenes Handeln bei der Eroberung des Reiches betont:
1. Gordon Fee
(Pfingstlicher Theologe)
Buch: God’s Empowering Presence: The Holy Spirit in the Letters of Paul
„Der Geist befähigt die Gläubigen nicht zur Passivität, sondern zu einem aggressiven, vom Geist geleiteten Streben nach Gottes Herrschaft. Paulus’ Sprache vom „Vorwärtsstreben” und „Festhalten” bedeutet nicht Leichtigkeit, sondern Intensität. Es ist dieselbe Hartnäckigkeit, die Jesus in Matthäus 11,12 beschreibt – diejenigen, die das Reich mit heiliger Kraft ergreifen.”
🟢 Unterstützung für Punkt 3: Fee stellt eine starke Verbindung zwischen der Sprache des Strebens bei Paulus und Matthäus 11,12 her. Der Gläubige drängt unter dem Einfluss des Geistes aggressiv in die Realitäten des Reiches Gottes – nicht mit Gewalt gegen andere, sondern mit geistlicher Hungersnot und Handeln.
2. Craig S. Keener
(Evangelikaler, charismatischer Gelehrter)
Buch: The IVP Bible Background Commentary: New Testament
„Die Bilder in Matthäus 11,12 erinnern an Menschen, die eine Stadt stürmen oder sich gewaltsam Zugang zu einem Festmahl verschaffen. In diesem kulturellen Kontext unterstreichen sie die ernsthafte und entschlossene Reaktion, die von denen verlangt wird, die die Botschaft vom Reich Gottes hören. Jesus lobt diejenigen, die mit Nachdruck vorwärts drängen – diejenigen, die sich wie die Menschenmenge weigern, sich abweisen zu lassen.“
🟢 Unterstützung für Punkt 3: Keener legt den Schwerpunkt nicht auf die Verfolgung des Reiches, sondern auf den leidenschaftlichen Eintritt in dieses Reich, was mit der Ansicht übereinstimmt, dass geistige Kraft notwendig ist, um Gottes Verheißungen zu ergreifen.
3. Jack W. Hayford
(charismatischer Pfingstpastor und Theologe)
Buch: Hayford’s Bible Handbook
„Die ‚Gewalttätigen‘, die das Reich mit Gewalt erobern, sind keine physischen Angreifer, sondern diejenigen, deren spirituelle Verzweiflung und glaubensvolle Handlungen Anspruch auf Gottes Herrschaft erheben. Es geht hier um entschlossenes Engagement, nicht um religiöse Lässigkeit. Jesus ruft Gläubige dazu auf, die Barrieren des Fleisches, der Angst und des Formalismus zu durchbrechen.“
🟢 Unterstützung für Punkt 3: Hayford bekräftigt die Interpretation der „eifrigen Verfolgung“ und interpretiert die „Gewalt“ als bewusste geistliche Entschlossenheit – eine entschiedene innere Kraft des Gläubigen, die sich mit dem Ruf Jesu zu radikaler Jüngerschaft in Einklang bringt.
Optionaler Bonus-Zitat
Leonard Sweet (evangelikaler Autor/Theologe, wesleyanisch-heilige Tradition)
„Das Reich Gottes kommt nicht durch Passivität, sondern durch Leidenschaft. Gott zieht diejenigen an, die verzweifelt genug sind, den Status quo zu stören und sich in den Fluss des Reiches zu stürzen. Jesus suchte keine Zuschauer, sondern Sturmjäger des Geistes.“
Aus: SoulTsunami (1999)
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